Das Schreibseminar.

Besser Lesen

Ein Gärtner betrachtet einen Baum mit anderen Augen als ein Affe. Wer sich bemüht, besser zu schreiben, liest Texte anders. An dieser Stelle sammle ich Textbeispiele. Manche zur Abschreckung, manche als Vorbild geeignet. Manche einfach nur unterhaltsam.

Und manchmal schreibe ich mit Zusammenhang über dies und das.

What Really Happens When You Think You’re Thinking.

15. Feber 2025

Was passiert, wenn du glaubst, du denkst.

Manchmal machen uns die Nachrichten sprachlos. Oder wir haben einen Gedanken, aber das passende Wort will nicht in unseren Neuronen aufleuchten. Oder wir stellen uns etwas vor, das unaussprechlich ist.

Denken in Wörtern: Für jemanden, der vom Schreiben lebt und für das Schreiben lehrt, ist das ein nur schwer unterdrückbarer Reflex. Aber natürlich haben die Vorfahren des Menschen gedacht, bevor sich Sprache entwickelt hat. Zuerst so, wie wir uns das Denken unserer Haustiere, das Denken der Delfine und Wölfe vorstellen. So wie wir uns das Denken der Oktopusse überhaupt nicht vorstellen können, aber wissen, dass sie es tun.

Sprachlos denken. Wir überlegen, wo wir in unserer Wohnung das Mobiltelefon haben liegen lassen. Wir bilden in unserem Geist den Schwung mit den Skiern ab, bevor wir ihn in den Schnee ziehen. Wir zeichnen ein rechtwinkliges Dreieck, ohne das Wort Hypotenuse im Gehirn zu formulieren. Wir fangen einen vom Tisch fallenden Bleistift auf, ohne den Satz „Schwerkraft ist eine Verformung im Raum-Zeit-Kontinuum“ in den grauen Zellen zu bilden.

Auch künstliche Intelligenz, die auf generativen Large Language Models basiert, kann wortlos denken. Sie schafft das Kunststück im latenten Denkraum (latent thinking space). Die Überlegungen (reasoning) werden angestellt, ohne dass jeder Schritt in Wörter übersetzt wird. Dieser Überlegungsprozess erfolgt in einem rein mathematischen Raum, Wörter sind Vektoren und Gedanken sind Matrizen. Erst der fertige Gedanke, der sich wie bei Menschen aus Wissen und Vermutungen zusammensetzt, wird in Sprache verwandelt. Weil das schneller geht, weil das viel weniger Rechenleistung und viel weniger Energie kostet.

Das hat aber nichts mit dem wortlosen Denken des Menschen zu tun. Die künstliche Intelligenz hat kein Bewusstsein, keine Intentionen (darüber kann man streiten) und es steht ihr keine physische Vorstellung der Welt aus eigener Erfahrung zur Verfügung. Deswegen findet sich die Erzeugung eines Weltmodells (model of the world) für die KI ganz oben auf der To-do-Liste der Entwickler.

Zu den erwünschten Nebenwirkungen der KI-Revolution gehört, dass wir uns zwangsläufig mit unserem eigenen Denken auseinandersetzen. Was Wissenschaftler seit Jahrzehnten betreiben, treibt uns jetzt alle um. Die Denkleistung unseres Gehirns wird mit jeder Schwäche der KI greifbarer. So wie Oliver Sacks, Neurologe und Autor von Büchern wie „Awakenings“, dem Gehirn auf die Spur kommt, indem er Menschen mit neurologischen Defekten beobachtet und behandelt.

Haben Sie ein ungutes Gefühl im Kontakt mit KI? Oder eine finstere Vorahnung, was jetzt noch alles drohen kann? Dann wissen Sie wahrscheinlich, dass diese Art von „Gefühlen“ und „Vorahnung“ aus der statistischen Analyse unseres Gehirns von wahrgenommenen Mustern und der Identifizierung von Anomalien entsteht.

Es ist das Signal unseres Gehirns, dass es nicht über ausreichende Informationen verfügt, um die Situation mit hoher Wahrscheinlichkeit richtig zu interpretieren und robuste Aussagen über Prognosen zu treffen. Dann tritt bei vielen Menschen Meinung oder Glaube an die Stelle des Wissens. Bei künstlicher Intelligenz nennen wir das Halluzination.

*****

Sometimes the news leaves us speechless. Or we have a thought, but the right word stubbornly refuses to light up in our neurons. Or we imagine something that is simply unspeakable.

Thinking in words: For someone who makes a living from writing and teaching writing, that’s an almost impossible reflex to suppress. But of course, human ancestors thought long before language evolved. At first, probably like we imagine our pets think, or dolphins and wolves. And like the way we can’t even begin to imagine how octopuses think — but we know they do.

Thinking without words. We ponder where we left our phone in the apartment. We mentally rehearse the curve of a ski turn before carving it into the snow. We picture a right-angled triangle without ever forming the word “hypotenuse” in our brain. We catch a falling pencil without summoning the phrase “gravity is a curvature in the space-time continuum.”

Artificial intelligence based on generative large language models can also think without words. It performs this magic in the latent thinking space. Reasoning happens without each step being translated into language. This process unfolds in a purely mathematical realm, where words are vectors and thoughts are matrices. Only the finished thought — composed of knowledge and assumptions, much like in humans — is then transformed into language. Because it’s faster that way, and it requires far less computing power and energy.

But this has little to do with human wordless thinking. AI lacks consciousness, intention (though some might argue otherwise), and any physical experience of the world. That’s why building a model of the world is high on every AI developer’s to-do list.

One of the welcome side effects of the AI revolution is that it forces us to confront our own thinking. What scientists have been doing for decades now preoccupies us all. The strengths of our brains become more tangible with every weakness AI reveals. Much like neurologist and author Oliver Sacks, in books like “Awakenings,” uncovered the mysteries of the brain by observing and treating patients with neurological disorders.

Feeling uneasy about interacting with AI? Or perhaps a dark premonition of what might be coming next? You probably know that these kinds of “feelings” and “premonitions” arise from our brain’s statistical analysis of perceived patterns and the identification of anomalies. It’s our brain’s signal that it lacks sufficient information to interpret a situation with high confidence and make reliable predictions. That’s when opinion or belief often replaces knowledge in humans. In AI, we call it hallucination.

Ein Meisterwerk! Diesen Artikel müssen Sie gelesen haben.

13. Feber 2025

Die Schlagzeile dieses Beitrags habe ich Karl Gaulhofer von der Presse gestohlen. Unter diesem Titel findet sich ein außerordentlich lesenswerter Artikel über die Gefälligkeitsrezensionen, zu denen Autoren von ihren Verlagen genötigt werden, um damit die Werke anderer Autoren zu loben und den Verkauf zu fördern.

Bitte lesen Sie unbedingt den ganzen Artikel. Sonst wissen Sie weiterhin nicht, wer Belinda Blurb war. Und wie Sean Manning von Simon & Schuster gegen Inzest vorgeht.

Mit dem Marketing-Team von Anexia an der Rax.

1. Feber 2025

Das war ein besonderes Schreibseminar. Neun Mitarbeiter der Marketingabteilung von Anexia – inklusive Marketingchef Benjamin Klempin – kamen aus Klagenfurt, Graz und Wien in die Walddenke, um ab dem 29. Jänner 2025 zweieinhalb Tage mit Last und Lust des Schreibens zu verbringen.

Zum ersten Mal waren alle Teilnehmer des Seminars bereits intensive Nutzer von KI-gestützten Schreibwerkzeugen. Kein Wunder – schließlich ist Anexia eine der führenden Anbieterinnen von Cloud-Services, Programmierdienstleistungen und mehr.

Hinter Anexia steckt eine aufregende Geschichte: Ihr Gründer startete das Unternehmen 2006 zwischen schriftlicher und mündlicher Matura. Heute zählen Weltkonzerne zu den Kunden der Firma aus Klagenfurt, die Rechenzentren rund um den Globus betreibt.

Das Team rund um Benjamin Klempin zeigte jedenfalls große Vielseitigkeit beim Schreiben – bei manchen Aufgaben sogar zur eigenen Überraschung.

Ist das nicht kein Buch?

9. Jänner 2025

This Is Not No Book? 

Magritte would say, “Ce n’est pas un livre”. It’s a picture of a book. Many people have a picture of a book in their minds—a book they would love to write. But only rarely does this picture become an actual book: written, printed, bound.  

There are many hurdles that stand between dreaming of a book and creating the book of your dreams. The greatest hurdle lies in the writing itself because writing is hard work and demands self-confidence or, at the very least, courage.  

One project has already encouraged more than a hundred thousand people to write their book: story.one. This platform gives authors the opportunity to share their stories and connect with others. On request, story.one even handles the printing of a bound book—with a minimum print run of just one copy. Every book receives its own ISBN, making it available through all suitable distribution channels.  

There are now many AI applications that can assist with writing a book. AI provides ideas, drafts outlines, suggests characters and plots, organizes non-fiction topics into chapters, and supplies sources. AI transcribes and formats dictated texts. It’s also a capable editor, identifying not just grammatical errors but also overly ambitious leaps in logic and structural flaws.  

However, AI has a weakness when it comes to books requiring accurate facts: its tendency toward hallucinations and errors. This stems from the fact that its training data is largely sourced from the internet, which has primarily been filled by humans. Humans make mistakes, and these occasionally confuse artificial intelligence, which knows nothing and only speculates about everything.  

Don’t panic. By this spring, at least one author-focused AI will be released that has been thoroughly trained to avoid hallucinations.  

This will remove yet another hurdle, allowing even more people to turn the picture of a book in their minds into reality.  

PS: With AI agents, you can even create an audience that reads your book, uses quotes from it in discussions, and floods social media with recommendations.

Illustration Alex D via MJ

Querfeldein schreiben.

5. Jänner 2025

Alex D via Midjourney

Im Alltag schreiben wir so, wie wir zum Bus gehen. Wir unternehmen keine Erstbesteigung über die Nordflanke des Bahnhof-Einkaufszentrums. Wir nehmen den kürzesten Weg.

Wie gehen wir zum Bus? Wir folgen dem Weg, den viele andere täglich gehen. Wenn wir so schreiben, dann besteht unsere Schreibe aus Wörtern, Floskeln und satzgewordenen Gedanken die den Spuren vieler anderer folgen. 

Doch jeden Tag schreiben wir auch etwas, das besondere Aufmerksamkeit verdient – weil die Zielperson, das Thema und/oder unsere Absicht mehr als alltägliche Zuwendung verlangen. Dann suchen wir besser treffende, weniger alltägliche Wörter. Vermeiden ausgelutschte Floskeln und Adverbien ganz grundsätzlich. Wir prüfen, ob unsere Gedanken vom Geschriebenen angemessen wiedergegeben sind. Wir zaudern vor steilen Passagen nicht. Drehen ohne Scham um, wenn der geschriebene Weg nicht zum Ziel führt. 

Wir schreiben querfeldein. So ist Schreiben befriedigend.

When Your Inner Demons Hijack the Keyboard

4. Jänner 2025

Alex D via Midjourney

Literary history would be poor without works dictated by the inner demons of intriguing authors. Some literary experts even claim that not a single noteworthy work of prose has ever been written by someone entirely sane.

One thing is certain, though: In the everyday poetry we encounter on social media, we are exposed to the complete lexicon of psychological deviations—and we rarely perceive it as enriching.

We don’t even need to talk about successful entrepreneurs in the automotive and aerospace industries or stammering real-estate-politics-celebrities on TV. Every one of us occasionally carries a slight, fleeting crack in the façade—triggered by anger, frustration, grief, or maybe a drink too many.

That passes. Unless, of course, we immortalize the moment in an impulsive post on X, Y, or Z.

In fact, it can be quite cathartic to write while angry, disappointed, or intoxicated—but only on paper or in an electronic document that doesn’t reach the entire world with the click of a button.

You don’t have to become a digital hermit to protect the dignity of others—and especially your own. Just follow the advice of Churchill: Write first, and perhaps send later. After all, unforgettable must not be mistaken for unforgettably embarrassing.

Don’t forget to count the fingers.

4. Jänner 2025

Alex D via Midjourney

At present, you can usually unmask the creator as artificial intelligence in most images and videos by counting the people’s fingers. It’s not certain whether AI truly struggles to depict fingers and toes accurately or if it’s a trick designed to give us a false sense of security. Either way, if images look too good to be true, they’re probably creations of non-organic neural networks.

Texts written by AI have been around for quite some time. They’re continually improving and, especially in marketing, are now hardly distinguishable from those composed by soulless product manager aspirants. The human rowers in the corporate galleys produce pitiful work compared with well-prompted LLMs.

Does a promotional text feel stale and formulaic to you? Then it’s probably by a human. By using so-called “humanizer” software, AI-generated texts can be spiced up with slight irregularities and linguistic quirks. That already tastes better than the output of fatalistic wetware copywriters. Such “humanized” texts are also harder for software intended to detect AI authors to spot.

How, then, can we identify AI-generated texts? What’s the equivalent of counting fingers? I propose the following method:

1. Is the text boring, formal, polished to a gaudy gleam? Then it could be from either a human or a machine—it makes no difference.  

2. Is the text professional but contains subtle oddities? Then it might be from a worn-out copywriter or an excellent machine. That’s the future.  

3. Do you find surprising twists, original sentence structures, and striking neologisms? Then it’s definitely by a human—or possibly by an AI that was trained by a human using extensive examples of their own style.  

4. Is the text rife with hallucinations? In 2025, it’s almost certainly by a substance-loving human or the free version of what is otherwise a powerful AI.  

5. Could a text like the one at hand be attributed to an AI? Not yet.

So what? Some human writers scratch away with fountain pens on paper. Others clatter on computer keyboards. Others dictate, and it’s transcribed later. And many already engage in a fruitful dialogue with a large language model to create interesting writing—just as numerous significant novels have come from the collaboration of a purposeful author and a capable editor.

Conclusion: Forget about counting fingers. If a text fulfills its purpose, it’s good—regardless of whether it was written by a human, a machine, or both.

Keine Ausreden mehr.

1. Jänner 2025

Besser schreiben ist leichter als je zuvor. Mit den sehr zweckmäßigen Werkzeugen der KI lässt sich leichter als je zuvor an Inhalt und Form von Geschriebenem feilen. Nur das Denken und Schöpfen überlässt man besser nicht vollständig neuralen Netzwerken. Dazu äußert sich ChatGPT in einem Interview mit dem Standard brav wie ein Vorzugsschüler.

Ab jetzt beschäftigen wir uns jedenfalls in den Schreibseminaren zusätzlich zum Basisprogramm mit den nützlichen Helferleins der KI für alle Gelegenheiten des Besseren Schreibens. Niemand schreibt so gut, dass ihr oder ihm nicht geholfen werden könnte.

Als der Buchdruck in den Windeln lag.

2. Dezember 2024

Schon von Inkunabeln gehört? So werden die Bücher aus der Frühzeit des Buchdrucks zwischen der Fertigstellung der Gutenberg-Bibel 1454 und dem 31. Dezember 1500 bezeichnet. Auf Deutsch werden diese Frühwerke des Drucks als Wiegedrucke bezeichnet. Das hat nichts mit der Drucktechnik zu tun sondern ist wortwörtlich zu nehmen. Mit Wiege ist das Möbel gemeint. Es sind also Drucke aus der frühen Kindheit der Drucktechnik.

Haben Sie geahnt, dass manche Germanisten gerne nicht nur die Rechtschreibung sondern auch die Aussprache Deutschen vereinheitlicht hätten? Zumindest für die deutschsprachigen Bühnen unternahm Theodor Siebs 1898 einen Anlauf mit dem Aussprachewörterbuch „Deutsche Bühnenaussprache“. Bis 1969 wurden insgesamt 19 Auflagen von diesem Werk gedruckt. Es gab sogar ein „Österreicher Beiblatt zum Siebs“. Dann war Schluss. Heute darf in deutschen Filmen generell genuschelt werden.

Wo findet man solche Kleinodien des alltäglich nicht unentbehrlichen aber insgesamt bereichernden Wissens? In der „Deutschen Sprachgeschichte“ der Wiener Germanistikprofessors Peter Ernst. Die ordentlichen Studenten des außerordentlichen Professors müssen dieses Werk vermutlich kaufen, wir dürfen.

Durchfall plagt nun auch angesehene Journalisten.

7. November 2024

Es beginnt mit Magenkrämpfen und einem schneidenden Gefühl in tieferen Bauchregionen und endet mit Kopfschmerzen und Übelkeit. Ich reagiere immer drastischer auf die Achtlosigkeit, mit der auch Berufsschreiber wahllos die Wörter „Wegen“ und „Durch“ verwechseln.

Es ist eigentlich nicht so schwer. Dem Wort „Wegen“ sollte ein Grund, eine Ursache folgen. Das Wort „Durch“ weist hingegen auf den Einsatz eines Mittels hin. Also:

Wegen der Verwendung von altem Speiseöl hat die Portion Pommes frites zu einem überstürzten Besuch auf der Fastfood-Toilette geführt. Der Betriebsleiter hat dadurch Hygienevorschriften verletzt, deswegen wurde er von Lebensmittelagenten abgeführt.

Durch die Verwendung von Rizinusöl zur Motorschmierung wurde früher unter anderem die Lauffreudigkeit von Rennmotoren gesteigert. Aus der englischen Bezeichnung „castor oil“ für das Öl aus den Samen des tropischen Wunderbaumes wurde der Markenname Castrol durch Kontraktion geschaffen.

Ich weiß gar nicht, ob es eine Regel betreffend „Wegen“ und „Durch“ gibt. Mir jedenfalls wird schlecht, wenn ich die beiden Wörter verwechselt sehe.

Im unten stehenden Beispiel hätte der Verfasser zwei richtige Textanfänge wählen können: „Wegen der Erhöhung des Budgets…“ oder „Durch die Erhöhung des Budgets wurde dem Bundesheer ermöglicht, …“. So kann die Budgeterhöhung ein Grund (wegen) oder ein Mittel (durch) sein. Aber die folgende Konstruktion muss passen.

Besser denken.

7. November 2024

Unser Denkorgan ist vorerst untrennbar mit unserem restlichen Körper verbunden und bisher auf dem Ersatzteilmarkt auch nicht erhältlich. Es ist daher nicht unerheblich, wo und wie sich unser Körper befindet, wenn wir vom Gehirn besondere Leistungen verlangen. Fürs Hochleistungsdenken empfiehlt sich der Wald. Oder, noch besser, ein geschützter Rückzugsort im Wald. Genug gesagt, jetzt spricht der Hausherr selbst.

Bewährt hat sich die Walddenke bisher bei Seminaren, Strategie-Workshops, kulturellen Veranstaltungen und kultivierten Geselligkeiten. Manchmal denkt sich hier in der Stille ein Edeldenker ganz alleine etwas aus. Vorstellbar ist die Walddenke auch als Rückzugsort für liquide Autoren, Komponisten und Philosophen.

Bei dieser Gelegenheit erinnern wir uns an folgende Anekdote aus der Locanda Cipriani in Torcello:

The Inn was consecrated as a literary myth for having hosted Ernest Hemingway in the fall of 1948. Joined in Venice by his wife Mary, Papa Hemingway was already a legend at the time. He knew Torcello, having been won over by the island’s unique charm. In fact, he decided to spend the whole month of November at Locanda Cipriani, dividing his time between duck hunting, writing his novel “Across the River and Into the Trees” and at his table alongside the Locanda’s fogher.

Es heißt, dass die Locanda ihre Wintersperre nur für Hemingway verschoben hat, weil dieser seinen Schreibfluss nicht vertrocknend sehen wollte. Selbst solche Arrangements müsste man mit thomas.ploetzeneder@ploetzeneder.at, dem Hausherrn, vereinbaren können.

Auto-Correct ist ein benevolenter Türann.

7. November 2024

Jeder kann von komischen oder peinlichen Einmischung der Auto-Correct Funktion beim Schreiben berichten. Das Problem ist, dass man beim Durchlesen ganz leicht übersieht, was keine Korrektur sondern eine Korruption des Textes ist. Will man sichergehen, gibt es eine einfach Methode: Auto-Correct ausschalten und den fertigen Text mithilfe der Rechtschreibprüfung verbessern. Damit entfällt allerdings die Bequemlichkeit, die mit der automatischen Korrektur einhergeht: die korrekte Vervollständigungen von langen Wörtern durch Maschinentelepathie und die sofortige Richtigstellung von Wörtern mit widerspenstiger Orthographie.

Der Beispieltext aus der „Presse“ zeigt, wie schnell aus einem Sieg eine Niederlage wird, nur weil er in den Niederlanden errungen wurde. Salzburg hat gewonnen, die Niederlage wurde durch Auto-Correct erlitten.

Muttersprache zum Muttertag.

30. April 2024

Küchengeräte waren einst sehr beliebt als Muttertagsgeschenk.  Sowie: Selbstgebasteltes.  Wenn Mutter schon alle handlichen elektrischen Geräte besitzt und man nicht selbst Hand anlegen möchte, könnte ratlose Verzweiflung ihr tückisches Haupt heben. Aber halt! Wie wäre es mit einem Buch? Zum Beispiel ein Buch, in dem sich Kleinode unserer Muttersprache versammelt finden. Das „Lexikon der schönen Wörter” der Herren Kaehlbrandt (vermutlich ein Künstlername) und Krämer sollte in jedem bürgerlichen Regal Aufnahme finden. Verlegt von Piper in der bereits fünften Auflage, um unter 15 Euro käuflich, unbezahlbar bereichernd. Allerdings fehlt eines meiner Lieblingswörter: die Augenweide. Was eine Überlegenheit des südöstlichen Deutschsprachraumes erneut vermuten lässt.

Zeitreisende Landeshauptfrau.

10. April 2024

Eichgraben ist aus vielen Gründen eine der weltbesten Gemeinden. Unter anderem gibt die Gemeindeführung eine der weltbesten Gemeindezeitungen heraus. Wer dieses Medium nicht regelmäßig studiert, dem*der ist vielleicht eine Nachricht über ein Ereignis entgangen, das die Welt oder zumindest Niederösterreich verändern könnte.

Im Zuge eines Experimentes wurde eine Zeitkapsel mit einer ganz normalen Politikerin befüllt. Wir wurden nicht darüber informiert, für wie lange Frau Mikl-Leitner in der Zeitkapsel bleiben wird und in welchem Zustand – ungealtert, wenig gealtert, gereift – sie sich dann entkapseln wird. Wir hoffen das Beste und vor allem auf weitere Berichte.

Grausamer Fehlschuss.

10. April 2024

Knapp daneben ist auch verfehlt. Darüber könnten ehrliche Weidmänner viel erzählen. Ein Abc-Schütze der ORF Online Redaktion hat der Sprache in einem Bericht über zwei abgetrennte Hirschköpfe einen Streifschuss verpasst. Dort heißt es, ein Jäger hätte eine „grausame Entdeckung … gemacht”. Gemeint war wohl eine grausige Entdeckung. Gerade die deutsche Sprache ist grausam zu Schreibern, denen die Hand beim Zielen auf das richtige Wort zittert.

Mehr Schreiblust.

10. April 2024

Schreibseminar in der Walddenke, Februar 2024

Wie geht es bei meinen Schreibseminaren zu? Einen guten Eindruck davon vermittelt ein kurzes Video, das Alexander Pagitz im Februar 2024 in der Walddenke an der Rax aufgenommen hat.

Mehr Information über den Sehnsuchtsort Walddenke auf walddenke.at

Wortschatzsucher.

10. April 2024

Der größte Reichtum des sprachbegabten Menschenaffen ist sein Wortschatz. Besonders reich sind Englischsprachige, sie verfügen theoretisch über 750.000 Wörtern. Das Deutsche umfasst je nach Zählung 350.000 bis 500.000 Wörter. Nicht alle kennt jeder. Aber den meisten von uns ist klar, dass unser passiver Wortschatz größer ist, als unser aktiver.

Der passive Wortschatz ist wie Geld unter der Matratze. Er wirft keine Zinsen in unserem Alltagsleben ab. Zum Glück werden wir gelegentlich von Literatur, Film, Funk und sogar von Tageszeitungen und Magazinen an sprachliche Goldstücke unter unseren Matratzen erinnert. Wir können sie hervorholen und unsere Alltagssprache glänzend und interessant gestalten. Es ist nicht notwendig, sich freiwillig auf die aktuellen Modewörter zu beschränken.

Für „Die Presse“ schreibt Erich Kocina über Interessantes am Rande der Nachrichtendurchfahrtsstraßen. In manchen seiner Kolumnen kann man Wortfundstücke entdecken, dem Dunkel des passiven Wortschatzes entreißen und sich damit selbst eine Freude machen. Außerdem kann man dank Herrn Kocina herausfinden, warum „mundtot“ nichts mit dem Essloch zu tun hat.

Schreiblust in der Walddenke.

29. November 2023

Seminar 23. bis 25. November 2023

An einem zauberhaften Ort hat unser Fest der Schreibkunst und -freude stattgefunden. Die Walddenke in Breitenstein an der Rax ist die perfekte Werkstatt für Schreibhandwerker. Die Teilnehmer waren Mitarbeiter von zwei Agenturen aus Wien. Sie haben zweieinhalb Tage in diesem eleganten Haus im Wald an ihrem Stil gefeilt und für ihr Denken neue Impulse bekommen. Ihre Lust am Schreiben hat sich wunderbar entfaltet. Danke euch allen für eure engagierte Teilnahme.

Interessiert an der Walddenke als Seminarort? Schreiben Sie bitte eine Nachricht an Thomas Plötzeneder.

Weil ich keine Gelegenheit versäumen will, um auf Beispiele von ge- und misslungener Schreibe anzubieten: hier eine Geschichte aus dem „Spiegel“. In der Sportberichterstattung sind Schlagzeilen mit Wortspielen besonders beliebt. In diesem Fall bitte sowohl die Schlagzeile als auch die Bildüberschrift zu beachten.

Tschendern – ein Rat vom Rat.

16. Juli 2023

An Stammtischen platzen Halsschlagadern, volksverbundene Politiker zetern mit überschlagender Stimme, in Schulklassen schwanken Kruzifixe, allerorts fürchten funktionale Analphabeten um die Reinheit der Sprache. Was ist passiert?

Der Rat für deutsche Rechtschreibung fasst einen Beschluss zum Thema „Gendern“. Das diskussionsfreudige Gremium empfiehlt das Gendern nicht. Es rät auch nicht davon ab. Es versucht nur Fragen im Umgang mit Sonderzeichen – auch solche, die variantenreich zum Gendern eingesetzt werden (können) – zu beantworten. Der Rat will den staatlichen Stellen vorschlagen, das amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung um den Abschnitt Sonderzeichen zu ergänzen.

Ein Interview im Spiegel dazu ist erhellend. Außerdem heute extra ein Literaturtipp

Bibelkunde.

28. Juni 2023

Kürzlich, bei der Lektüre einer sehr empfehlenswerten Website, bleibe ich bei folgendem Satz hängen:

„This made me dig deeper into my weird lattice window fetish and so I found the book, no, the bible of lattice window designs.“

Ein Referenzwerk, zu welchem Thema auch immer, wird gerne als Bibel bezeichnet. So gibt es die erwähnte Bibel der chinesischen Gitterformen, die Bibel der japanischen Strickmuster, die Bibel für Golfspieler, die Bibel der Abnehmrezepte, und so fort. Dazu habe ich Fragen: Können Nicht-Christen eine „Bibel der japanischen Strickmuster“ tatsächlich als maßgebliches Werk akzeptieren? Oder nährt die Bezeichnung „Bibel der Abnehmrezepte“ selbst bei Christen Zweifel über die korrekte Interpretation der Texte als Ausdruck des Willens der Götter der Verschlankung? Welche Bezeichnung von Referenzwerken würden Juden, Muslime, Hindus, Buddhisten, Taoisten, Marxisten und Solispisten bevorzugen? So denke ich halt und kann nicht anders. Bis diese Fragen endgültig geklärt sind, ist es wohl angemessen, dicke Schwarten mit Anspruch als Standardwerke als Bibeln zu bezeichnen. Sie haben wahrscheinlich allesamt weniger unbeabsichtigte Nebenwirkungen als das Vorbild.

Quantensprung in Kernkraft-Forschung.

28. Juni 2023

Ein Österreicher zeigt auf neue Wege in der fast friedlichen Nutzung der Kernkraft. Der ORF berichtet am 27. Juni 2023 über einen Durchbruch in der Nuklearphysik. Ein Golfprofi – niemand wird zweifeln, dass Golf ein elementares Feld der Physik beschleunigter Teilchen darstellt – gelang offensichtlich die Synthese aus nuklearer Spaltung und Fusion. Die Schlagzeile „Wiesberger in Sachen Fusion gespalten“ ist ein Kleinkunstwerk. Sonst interessiert die Geschichte eher wenig. 

PS: Später wurde die Überschrift „Wiesberger in Sachen Fusion gespalten“ leider in „… zwiegespalten“  verschlechtert.

Nachrichten aus der Streichelredaktion.

26. Juni 2023

Dieser Artikel aus dem Standard ist zu schön, um wahr zu sein. An dieser Stelle hebe ich sonst gerne einzelne sprachliche Entgleisungen hervor. Der Standard, dessen Gründung wir in Österreich viel verdanken (unter anderem eine viel bessere „Presse“), hat im Februar eine Schweinemastreportage veröffentlicht. In dieser findet eine Massenkarambolage von Sprachbildern statt, von der wir unseren sensationsgeilen Blick nicht leicht lösen können. Ich empfehle die vollständige Lektüre dieses Stilgemetzels. Hier wurde wirklich vieles gut gemeint.

Vorlesung.

23. Juni 2023

Richtige Briefe – solche, die auf Papier geschrieben oder gedruckt den Empfänger in einem frankierten Kuvert erreichen – haben mehr Gewicht als die flüchtigen Pixel der elektronischen Post. Solche Briefe verdienen ein Extra an Bemühung.Vielleicht tauchen sie eines Tages in einem bedeutenden Nachlass auf. Oder sie werden von Schauspielern vorgelesen. Wie der Brief von Justin Lee aus Auckland an die Polizei, die ihm ein Vergehen vorwirft, das aufgrund der uns bekannten physikalischen Gesetze gar nicht begehbar ist. Vorgelesen wird uns dieser Brief vom neuseeländischen Regisseur und Schauspieler Taika Waititi. Wer bekommt danach nicht selbst Lust, einen Brief nicht nur mit Tinte sondern auch mit Esprit zu schreiben?

Schreckliche Geschichte.

22. Juni 2023

Schreckliche Schüsse stoppten Flüchtenden? War er erschrocken? Oder doch eher gewarnt, dass es jetzt ernst wird. Wahrscheinlich waren es Warnschüsse, die ins lockere Erdreich abgegeben wurden, bevor zugreifende Körperkraft dem Schrecken ein vorläufiges Ende bereitet haben. Das ganze Drama im Original hier.

Unbedingt.

22. Juni 2023

Schlampiges Schreiben ist unangenehm, aber nicht tragisch.  Hier geht es um einen Online-Artikel, der von einem tragischen Vorfall und von dessen Folgen handelt. Das Gerichtsurteil ist im Text nur bedingt richtig wiedergegeben. Nicht tragisch, aber verwirrend. Auch nüchtern betrachtet.

Wenn etwas leicht zu lesen ist.

22. Juni 2023

Elke Heidenreich beschäftigt sich im Spiegel regelmäßig mit Bestsellern. Das ist nicht automatisch schändlich. Einem Beitrag hat sie eine Schlagzeile gewidmet, die das Motto meines Seminars sein könnte: Wenn etwas leicht zu lesen ist, dann war es schwer zu schreiben.  Den Beitrag findet man hier.

Eine Geiselnahme.

27. April 2023

Heute lade ich zu einem kurzen Video ein. Die brillante Beurteilung eines Forschungsberichtes.

„Lose the very“ – eine Anleitung zum Gewinnen.

27. April 2023

Eine sehr gute Website mit sehr guten Vorschlägen wie man sehr viel besser schreiben kann. „Lose the very macht Vorschläge, wie man „very“ vor einem Adjektiv durch ein anderes Adjektiv, in dem „very“ bereits enthalten ist, ersetzen kann.  

Besonders hilfreich, weil man für Zusammensetzungen wie „sehr alt“ nicht einfach Synonyme nachschlagen kann. Gibt es das auf Deutsch? Bitte um sachdienliche Hinweise!

Elegante Härte von Siegmund Freud.

27. April 2023

Nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal liefert Hauke Goos vom Spiegel ein Beispiel für schönstes Schreiben. Siegmund Freud zückt nicht die Feder, sondern ein Sprachmesser, um die Freundschaft mit C. G. Jung zu beenden.  

Sprache tröstet; Sprache verletzt. Wer nachhaltig verletzen will, sollte schreiben,“ schreibt Hauke Goos in dem Artikel über den Freud’schen Brief

Demenzfreundliche Region.

27. April 2023

Oft bin ich mir sicher, manchmal nicht. Ist es gut, wenn eine Region demenzfreundlich ist? Mountainbike-freundliche Regionen laden zum Radeln ein. Wird der Wienerwald nun angepriesen als Region, in der dementen Personen freundlich begegnet wird (was auch ein bisschen schwach ist) oder als Landesteil, in dem es besonders leicht ist, dement zu werden.  

Natürlich verstehe ich die gute Absicht hinter dem Bemühen. Ein bisschen mehr Bemühung hätte aber auch die Wahl des Begriffes verdient.  

So schreibt ein Mann, der ein Pferd umarmt.

23. April 2023

„Schöner Schreiben“ heißt die Kolumne, die Hauke Goos im Spiegel verfasst. Er präsentiert darin wunderbare Beispiel großer Sprachbeherrschung. Dabei erfüllt Herr Goos auch die Forderung, die vom Titel der Kolumne gestellt wird indem er selbst sehr schön schreibt. Hier zum Beispiel ein Artikel über einen Brief Nietzsches an den dänischen Philosophen Georg Brandes.

Glanzlichter der deutschen Sprache verspricht ein Buch, in dem Hauke Goos 50 seiner Kolumnen zusammengefasst hat. An die Teilnehmer meines nächsten Seminars verschenke ich das Buch, weil schöner schreiben kommt von besser lesen.

Deutlich pulverisiert.

22. April 2023

Schreiber für Medien, die ein breites Publikum ansprechen, fühlen sich wohl täglich zum Sprachspektakel genötigt. Ein Kleinod an Zerstörungskraft, die in diesem Fall gegen einen Rekord gerichtet ist, will ich euch nicht vorenthalten. 

Der Text erschien am 31. August 2022 unter anderem in der Kronen Zeitung und der Kleinen Zeitung.  Der energische Schreiber hat vermutlich für eine Nachrichtenagentur gewirkt.